Bandonegro ist ein junges polnisches Tango Orchester der Weltklasse. Es wurde 2010 gegründet und gilt heute als eines der besten und faszinierendsten Ensembles seiner Generation. Nun veröffentlichte die Band ihr fünftes Album „Color Aires“. Hier hört man eine weitere herausragende Leistung der talentierten jungen Musiker. Ihre perfekte Beherrschung der Instrumente, kombiniert mit Spielraffinesse und Leidenschaft, überzeugt auf ganzer Linie.
Von Karin Lüders und Michaela Lugo
Musikalische Reise ins magische Buenos Aires
Im bunt illustrierten Booklet ihrer neuen CD versprechen die Mitglieder von Bandonegro nicht wenig. „Mit diesem Album wollen wir zeigen, dass die Tradition des Tango einen neuen Klang erhalten kann, sich ständig weiterentwickelt, das Publikum anzieht und begeistert. Jedes einzelne Stück enthält unser ganzes Temperament, unseren Ausdruck und unsere Leidenschaft. Damit entführen wir die Zuhörer in die magische, farbige Welt von Buenos Aires.“
Und die Musiker halten ihr Versprechen! Die vier jungen Virtuosen spielen auf sehr hohem musikalischen Niveau klassische Tangos, Valses, Milongas und Tango Nuevo in traditionellen Arrangements. Diese sind angereichert mit eigenen musikalischen Ideen und leidenschaftlicher Spielweise.
Stücke, die den Musikern am Herzen liegen
„Wir freuen uns, eine Auswahl von bekannten, herausragenden Tangos, Milongas und argentinischen Valses zu präsentieren, die uns besonders am Herzen liegen“. So heißt es weiter im CD-Booklet.
Die ausgewählten Stücke sind getragen von perfektem Klang und ungeheurer Freude am Spiel. Satte Tango Artikulation und eine sehr gelungene Verflechtung der Instrumente machen Klassiker wie Felicia und El Puntazo zum Tanz- und Hörvergnügen. Canaro en Paris überrascht mit einem sinnlich retardierten Mittelteil und schließt mit einem wahren Feuerwerk der Harmonien. Hier kommt man in den vollen Genuss von traditionellem Tango, gespickt mit junger, virtuoser Spielfreude.
Fetzige Milongas und strahlende Valses
In den fetzigen Milongas No hay Tierra como la mía und Reliquias porteñas glänzen die Instrumente mit farbiger, dichter Spielweise. Trotz virtuoser Artikulation verlieren sie nie ihre freche Leichtfüßigkeit. Das macht einfach Spaß!
Herausragend hier Silueta porteña: Es wird mit einer Synkope eröffnet. Diese Perkussions-artige Betonung wird im Mittelteil wieder aufgegriffen und macht die Milonga zu einem sinnlichen Erlebnis. Ein tolles Match aus Tradition und Frische!
Musikvideo zu “Silueta Porteña” mit Panagiotis Triantafyllou und Agnieszka Stach
Die strahlenden Valses Palomita blanca und Desde el Alma überzeugen mit romantisch fließendem Gestus. Die Instrumente kommunizieren wunderbar miteinander. Ein wahrer Genuss ist hierbei die virtuose Leichtigkeit der Handhabung der Instrumente.
Der Bogen zum Tango Nuevo
Die Tangos Nuevos La Bordona, A mis Viejos, A los Amigos und Zum schaffen eine spannende Abwechslung aus stark markierten Staccato Passagen und dramatischen Legato Bögen. Die Kunst der Tempoänderung bei melodischen Höhepunkten, kombiniert mit leidenschaftlicher Spielweise, garantiert Gänsehaut.
Mit einer rhythmisch markanten La Cumparsita im Stil von Juan D´Arienzo verabschieden sich die jungen Tango Musiker und hinterlassen glückliche Zuhörer! Zum berühmtesten aller Tangos präsentiert Bandonegro ein Musikvideo mit dem meisterhaften Tanzpaar Lorena Tarantino und Gianpiero Galdi.
Musikvideo zu “La Cumparsita” mit Lorena Tarantino und Gianpiero Galdi
Das neue Album Color Aires gibt es seit 30.09.2022 zum Streamen auf Spotify, Deezer, Apple Music, iTunes und Amazon Music. Außerdem ist es als CD erhältlich. Diese kann man direkt im Webshop von Bandonegro, auf ihren Konzerten oder auf der Webseite der Zeitschrift Tangodanza erwerben.
Der Werdegang von Bandonegro
Bandonegro – das sind Michal Glówka am Bandoneon und Akkordeon, Jakub Czechowicz an der Violine, Marek Dolecki am Piano und Marcin Antkowiak am Kontrabass. Die vier Musiker, alle Jahrgang 1993, kennen sich bereits seit ihrer Kindheit. Sie besuchten die gleiche Schule für musikalisch besonders begabte Jugendliche. Neben dem regulären Unterricht erhielten sie dort eine qualifizierte Ausbildung auf einem Instrument ihrer Wahl.
Nach der Schulzeit gingen sie zunächst auf verschiedene Musikhochschulen. Die Freunde blieben aber in Kontakt, und während der Studienzeit begann ihre Begeisterung für den Tango. Diesem Genre wollten sie sich später einmal widmen, darin waren sie sich einig!
Frühe Bewunderung für Astor Piazzolla
Der Auslöser dafür war die faszinierende Musik von Astor Piazzolla, mit der sich die Tore zum Tango für sie öffneten. Die vier talentierten Teenager machten zunächst ihren Abschluss als Berufsmusiker an den Konservatorien. Im Jahr 2010 gründeten sie dann ihr eigenes Tango-Ensemble.
Bereits mit 18 Jahren gewannen die jungen Polen den internationalen Wettbewerb „PIF Castelfidardo” in Italien. Knapp ein Jahr später erschien ihr erstes Album Tango Nuevo by Astor Piazzolla.
Orquesta oder Cuarteto?
Erst später entdeckten und erforschten sie den Tango der „goldenen Epoche“, der großen Orchester und Sextette dieser Zeit. Für das junge Quartett war das wie eine Reise in ein unbekanntes musikalisches Abenteuer.
Mittlerweile nennen sie sich ganz bewusst „Tango Orquesta“ anstatt „Cuarteto“ oder Quartett. Ihr Stil ist tatsächlich weniger kammermusikalisch als bei vierköpfigen Besetzungen üblich. Sie erreichen oft eine Klangfülle, hinter der man eine viel größere Truppe vermutet. Dies verdanken sie auch der Tatsache, dass sie die Stilmittel und Spielweise der alten Orchester genau studiert haben.
Der legendäre argentinische Tänzer Nito García sagte über die Musiker: „Eine einzigartige Energie und ein unverwechselbarer Klang. Sie stehen da nur zu viert auf der Bühne und klingen wie ein zehnköpfiges Orchester!“
Klassischer Tango mit frischem Sound
Bandonegro steht für traditionellen argentinischen Tango, aber auch Tango Nuevo und eigene Kompositionen mit Elementen aus Jazz und klassischer Musik.
Als Vertreter der jungen Generation möchten sie allerdings auch zeitgemäße Musik spielen. Sie soll ein jüngeres Publikum für den Tango begeistern und zum Tanzen animieren. So befassen sie sich auch mit Neo- und Elektrotango, wobei sie ihre Besetzung um weitere Instrumente wie Schlagzeug oder E-Gitarre ergänzen. Auf Konzerten kann man beispielsweise ihre Version von „Englishman in New York“ hören.
Gefeierte Auftritte in Buenos Aires
Im Jahr 2019 reisten die jungen Polen für fünf Wochen nach Buenos Aires. Dort gaben sie sechzehn Konzerte in den bekanntesten Tango Clubs und Sälen wie dem Salon Canning. Sie traten außerdem beim „Argentina Tango Salon Festival“ auf. Beim Finale der Tango-Weltmeisterschaft spielten sie ihr eigenes Arrangement des Klassikers Gallo Ciego. Überall konnten sie ihr Publikum überraschen und begeistern.
Aussagen von argentinischen Musiklegenden
José Colángelo, der letzte Pianist in Aníbal Troilos Orchester, sagte nach einem Auftritt von Bandonegro: „Ich hätte nie gedacht, dass Polen so fantastisch Tango spielen können! Alle Achtung!“ Und Fernando Suárez Paz, langjähriger Geiger in Astor Piazzollas „Quinteto Nuevo Tango“, meinte: „Eure Musik berührt die Herzen. Ich habe es wirklich sehr genossen, euch zu hören!“
Musik zum Tanzen, Konzerte zum Zuhören
Das Repertoire von Bandonegro umfasst über 70 Tangos, Milongas und Valses mit besonders tanzbarem Charakter, die in Zusammenarbeit mit den besten europäischen DJs ausgewählt wurden.
Mit viel Stilgefühl interpretiert das Ensemble die Stücke der großen Orchester wie D’Arienzo, Di Sarli, Pugliese, Troilo, Canaro oder Sassone. Ihre enorme Energie, Leidenschaft und Emotion stellt sofort engen Kontakt mit den Tänzern her. So ist die Tanzfläche während ihrer Auftritte immer voll!
Ihr Programm umfasst aber auch konzertante Musik, die eher zum Zuhören gedacht ist. Zum Beispiel werden zur Eröffnung von Festivals oft Konzerte gegeben, bei denen auch nicht tanzende Gäste den Tango Klängen lauschen können.
Bandonegro in Buenos Aires – der Film
Das Leitmotiv dieses Films ist der Tango, der in den Hafenbezirken von Buenos Aires entstand und mittlerweile zu einer internationalen Weltsprache „ohne Worte“ geworden ist.
Dokumentation von Fabio Sánchez Vidal
Der Dokumentarfilm von Fabio Sánchez Vidal begleitet die vier jungen Tango Musiker, die von Polen nach Argentinien reisten, um ihren Traum zu verwirklichen und in den berühmtesten Sälen der Tango Hauptstadt zu spielen.
Filmtrailer zu “Bandonegro in Buenos Aires”
In diesem Film erfahren wir viel über die Bandmitglieder, über die Musik, die sie zusammengebracht hat, über ihre Ziele, Motivationen und Träume. Von spontanen Fußballspielen im Viertel La Boca über Aussagen von Tango Legenden bis hin zu Underground Milongas zeigt Bandonegro in Buenos Aires einen Tango, den es so noch nicht gab.
Ein Blick auf die argentinische Kultur
Der Film ist zugleich eine Reise in die Tiefen der argentinische Kultur, die fest im Tanz und in den Bräuchen verwurzelt ist, welche für Südamerika typisch sind. Die Doku geht außerdem auf die Probleme ein, mit denen das heutige Buenos Aires konfrontiert ist. All dies wird unterstützt durch Aussagen der Porteños, der Einwohner von Buenos Aires. Und natürlich gibt es sehr viel Tangomusik zu hören!
Bisher veröffentlichte Alben von Bandonegro
Tango Nuevo by Astor Piazzolla (2012)
Das erste Album der Gruppe. Es enthält akustische Kompositionen des argentinischen Meisters des Tango Argentino, Astor Piazzolla, in frischen Interpretationen. Zehn Stücke, vom berühmten Libertango und Oblivion über den energiereichen Escualo und La Muerte del Angel bis hin zur stimmungsvollen Milonga del Angel oder Resurreccion del Angel.
Tanchestron (2017)
Bekannte Stücke von berühmten Orchestern der goldenen Ära des Tango im Stil und Arrangement des Bandonegro Tango Orquesta. Das erste in Polen aufgenommene Album dieser Art, eine Antwort auf das wachsende Interesse am Tango Tanz und der Tango Musik im Land. Das Ergebnis einer Leidenschaft und einer erstaunlichen Beharrlichkeit bei der Suche nach den Ursprüngen des Tango.
Hola Astor (2019)
Eine subtile Fusion von Tango mit Jazz und Rock. Die wunderschön arrangierten, sorgfältig ausgewählten Stücke von Astor Piazzolla wurden mit Eigenkompositionen von Bandonegro kombiniert. Die Zusammenarbeit mit zwei jungen Stars der polnischen Jazzszene, Dawid Kostka an der E-Gitarre und Mateusz Brzostowski am Schlagzeug, macht den Sound des Albums frisch, eingängig und aktuell.
Bandonegro spielt die Eigenkomposition „Vislumbrar“ in Sextett-Besetzung
Tangostoria (2020)
Dieses Album, das im traditionellen Tango Stil gehalten ist, enthält ausgewählte Kompositionen von Künstlern wie Aníbal Troilo, Lucio Demare, Vicente Greco, Horacio Salgán und Astor Piazzolla. Trotz der Vielfalt der Stile argentinischer Komponisten ist das Werk ein geschlossenes Ganzes und wirkt wie eine faszinierende musikalische Erzählung! Bandonegro arbeitete hier mit dem uruguayischen Sänger Andres Martorell zusammen.
Wir sind gespannt darauf, was Bandonegro in Zukunft noch vorhat!
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Ein großes Dankeschön an Michaela Lugo für die fachkundige Unterstützung bei der CD-Rezension!
Fotos und Videomaterial: Bandonegro
Links
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